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Schlachtenlärm und Paukenwirbel

Eines vorweg: Hut ab vor den Musikern der Philharmonie der Nationen! Noch bevor sie Dienstagabend beim „Klassik an der Ruhr“-Konzert mit Star-Dirigent Justus Frantz den ersten Ton auf ihrem Instrument spielen konnten, steckten sie mit ihrem Tourbus im Stau und landeten nach zehn Stunden Fahrt statt um 15 Uhr erst um 19.30 Uhr in Wetter. Hier ging dann alles hopplahopp: raus aus dem Bus, schnell einen Happen essen, rein in die Abendkleidung und rauf auf die Bühne. Vor diesem Hintergrund kann man die Leistung des Symphonierchesters gar nicht hoch genug bewerten.

Das Musikspektakel des Jahres fand diesmal in der großen Halle des Stadtbetriebs stattfand. Wo normalerweise Räum- und Müllfahrzeuge stehen, verwöhnten Justus Frantz und die Philharmonie der Nationen rund 500 Konzertbesucher über zwei Stunden mit klassischer Musik. Vorab begrüßte Bürgermeister Frank Hasenberg Künstler und Konzertbesucher und dankte den Mitarbeitern des Stadtbetriebs, die im laufenden Betrieb die Halle vorbereitet hatten. Auch Dirk Klapsing, Intendant der Initiative Musiklandschaft Westfalen, richtete einige Worte an die Gäste und versprach: „Wenn das Licht gleich ein bisschen schummrig wird, werden sie glauben, in einer neuen Konzerthalle zu sitzen.“

Dann hieß es „Vorhang auf!“ für den Meister, der diesmal nicht in roten Schuhen, dafür aber mit roter Brille und schwarzen Turnschuhe die Bühne betrat, um sie sodann wieder zu verlassen – es stand noch nicht alles am richtigen Platz. Mit halbstündiger Verspätung konnte es dann endlich losgehen. „Das Orchester hat zehn Stunden im Bus gesessen, ich bin vor fünf Tagen von einem Hai gebissen worden, aber wir wollen ihnen jetzt eine Freude machen, und ich hoffe, es gelingt“, so Justus Frantz , bevor er das Publikum mit Beethovens Overtüre „Prometheus“ und dem 3. Klavierkonzert begeisterte, bei dem er selbst als Solist am Flügel brillierte. Die Zuhörer erhoben sich von ihren Stühlen, um Beifall zu klatschen und würdigten die Darbietung mit lauten „Bravo“-Rufen. Bärbel Werner, Besucherin aus Herdecke und nach eigenen Aussagen keine passionierte Klassikhörerin, zeigte sich tief beeindruckt: „Ich bin erstaunt, wie sehr diese Musik berührt, wie melancholisch, aber auch wie aufwühlend sie ist.“

Immer wieder wandte Justus Frantz sich zwischendurch an sein Publikum – etwa um Anekdoten rund um die Werke zu erzählen oder um anzukündigen, dass anstelle der 2. Sinfonie die berühmte Pastorale erklingen werde. Aber der Dirigent und Pianist erinnerte auch daran, dass das Orchester der Nationen von Leonhard Bernstein und ihm selbst anlässlich des Mauerfalls als Symbol des Friedens gegründet worden war: „Damals dachte noch keiner daran, wie verrückt und aus den Fugen die Welt mal geraten würde.“ Seiner Überzeugung nach werde es keinen Frieden geben, solange der Nahe Osten nicht befriedet sei: „Ich setze mich in Israel für Friedensprojekte ein und mache dort immer wieder klar, dass jeder einzelne das gleiche Recht auf Leben hat wie man selbst.“ Auch dafür gab es „Bravo“-Rufe.

 

 

 

aus: WAZ, von Elisabeth Semme