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Neujahrskonzert in Berlin

Zum Jahresauftakt spielte Justus Frantz das Neujahrskonzert im Konzerthaus am Gendarmenmarkt gemeinsam mit der Philharmonie der Nationen.

 

Rote Brille, pinke Krawatte, gütiges Lächeln: Justus Frantz ist eine Erscheinung. Er wünscht dem Publikum, dass an diesem Samstagnachmittag ins ausverkaufte Konzerthaus am Gendarmenmarkt gekommen ist, ein gesundes, neues, inspiriertes Jahr und „dass Sie mit schönen, innovativen und inspirierenden Ideen sich und die Menschheit jagen mögen.“ Von der ersten Sekunde an beweist der Pianist und Dirigent auch Entertainerqualitäten. Er vereint damit drei Funktionen in einer Person.

Der musikalische Jahresauftakt findet unter dem Titel „Music for friends“ statt. Mit ernsthaftem, gesellschaftspolitischen Hintergrund. Denn nicht nur das Orchester setzt sich aus verschiedenen Nationen zusammen, mit Musikern u.a. aus Bulgarien, Russland, Rumänien und Weißrussland. Auch das Eingangsstück, Mozarts Ouvertüre aus der Zauberflöte, trägt mit dem Leitthema vom Leben und Tod einen Humanitätsgedanken in sich, zudem wurde in der Ansprache des Bischofs von Brandenburg bei Konzertbeginn u.a. die Flüchtlingskrise angesprochen.

Doch zurück zu Frantz: Er dirigiert mit vollem Körpereinsatz, man hört ihn immer wieder energisch und im Takt tief Luft holen, mitunter lässt er mit seinem Dirigentenstab auch unbeabsichtigt seine Krawatte fliegen. Die Philharmoniker folgen ihm auf den Taktstock: Die Einsätze von Streichern, Bläsern und Pauke sitzen, die Crescendi auch.
Dirigent am Flügel

Nach einer flotten Umbaupause folgt dann Mozarts Klavierkonzert Nr. 23 in A-Dur, das der Pianist – Frantz höchstpersönlich – am Flügel sitzend dirigiert. Der erste Satz besteht ihm zufolge aus „der himmlischen Freude an Musik“: Dieses beschwingte „Allegro“ erinnert an einen Spaziergang in der Natur, während der zweite Satz „Adagio“ wohl einer der „tragischsten ist, den Mozart geschrieben hat“, so der Maestro. Er könne – so leidvoll, wie er ist – glatt in dessen Requiem stehen. Der dritte Satz „Allegro assai“ dann strahle, so Justus Frantz, „pure Lebensfreude“ aus. Doch egal, welchen Satz er spielt, der gebürtige Pole überzeugt am Flügel ohne Noten, mit hoher Präzision und viel Fingerfertigkeit, besonders bei den schnellen Parts.

Es folgt eine kurze Umbaupause, dann kommt eine Überraschung: So erfüllt die Ouvertüre der „Fledermaus“ den großen Saal des Konzerthauses mit beschwingtem Dreivierteltakt und korrespondierenden Trommelschlägen, regt der „Blumenwalzer“ mit dem Hörnerthema zum Fußwippen an und animiert der „Russische Tanz“ geradezu zum Mittanzen. Justus Frantz leitet das Stück übrigens mit an den russischen Botschafter gerichteten Worten ein: „Ich liebe Ihr Land. Ich glaube an die freie Liebe, und nicht an die durch Sanktionen erzwungene“, sagt er schmunzelnd – ein Statement. Bei diesem Stück gibt es ein Tamburin-Solo, dessen Solist – der ein klein wenig zu schnell spielt – dafür bekannt ist, das Instrument in jedem zweiten Konzert zu zerstören. Diesmal allerdings geht es gut, der Musiker kommt um die von Frantz angedrohten 700 € Schadensersatz herum. Nach umjubelten Stücken wie dem „Kaiserwalzer“ oder „Donner & Blitz“ von Strauß beendet der Maestro nach einigen Zugaben und unter enthusiastischem Beifall das Neujahrskonzert nach über zwei Stunden mit dem „Radetzkymarsch“.

Was dann bleibt, ist die Erinnerung an einen bravourösen musikalischen Abend, an ein exzellentes multinationales Orchester und an einen hingebungs- wie humorvollen Justus Frantz.

 

bz-berlin.de; von Marlen Gruner