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Klassik für Alle

Der erste Eindruck: Zauberhafte Stimmung. Ein lauer Sommerabend, die Amseln im Kurpark singen sich schon mal ein, im Hintergrund plätschert der Bach, angeregtes Geplauder und gespannte Erwartung auf das jährliche Open-Air-Klassik-Event im Kurpark.

Das Programm: Wie immer bei Justus Frantz eine Überraschung. Statt der angekündigten "Schönen blauen Donau" von Johann Strauß gab’s die nicht minder lyrische und klangfarbenreiche sinfonische Dichtung "Les Préludes" von Franz Liszt, für die eigens eine Harfenistin engagiert worden war, die ihre verträumten Arpeggios auf einer kleinen Extrabühne beisteuerte. Ansonsten ein Programm, mit dem man nichts falsch machen konnte. Das Violinkonzert Nr. 1 g-Moll von Max Bruch gehört wegen seiner eingängigen romantischen Melodik, der Virtuosität und Ausdruckstiefe zu den beliebtesten Violinkonzerten überhaupt. Und Beethovens Sinfonie Nr. 5 dürfte die bekannteste Sinfonie schlechthin sein. Bei der Aufführung durch die Philharmonie der Nationen drängt sich allerdings die vielleicht nicht ganz überraschende Feststellung auf: Trotz oder gerade wegen seiner Popularität wird Beethovens Klassik-Schlager viel zu selten aufgeführt. Die Verkürzung auf das allgegenwärtige prägnante Eingangsmotiv lässt nur allzu leicht in Vergessenheit geraten, wie viel rhythmische Kraft, sinfonische Wucht und welchen Reichtum an aufwühlenden und mitreißenden Melodien in dem sinfonischen Evergreen stecken.

Die Philharmonie der Nationen: 1995 von Justus Frantz gegründet, als ein Symbol für den Zusammenhalt der Völker. In dem Ensemble spielen Musikerinnen und Musiker aus 50 Nationen von fünf Kontinenten zusammen. Serben musizieren mit Slowenen, Syrer mit Israelis, Chinesen mit Japanern und Russen mit Ukrainern. Justus Frantz versteht das international besetzte Ensemble als einen Brückenschlag, der die unterschiedlichsten Nationalitäten und Temperamente vereinigt. "Die Zusammenarbeit im Orchester zeigt, dass möglich ist, was in der Politik oft so schwer fällt: Menschen aller Nationen zusammenzubringen", sagt er.

Die Stars: Justus Frantz ist seit mehr als 30 Jahren ein international erfolgreicher Pianist und Dirigent, der sich um die klassische Musik in vielerlei Hinsicht verdient gemacht hat. Auf den Tourneen mit der Philharmonie der Nationen nimmt sich der Orchesterleiter in Vorspielen Zeit, junge Talente zu entdecken und zu fördern – für junge Musiker weltweit eine hervorragende Chance. Der Geiger Linus Roth hat in Freiburg und Lübeck studiert und gilt weltweit als großes künstlerisches Talent. Bei "Klassik pur" bewies er in dem Violinkonzert g-Moll von Max Bruch auf seiner mehr als 300 Jahren alten Stradivari, dass spieltechnische Perfektion und spontaner Ausdruck kein Widerspruch sein müssen. "Ich glaube, das Wichtigste ist, Menschen durch Musik zu berühren", sagt der Virtuose.

Das Besondere: Vor Beginn des Konzerts erzählte Justus Frantz von dem Haibiss, der ihn von seinem Auftritt beim Zeltmusikfestival in Freiburg am vergangenen Sonntag abgehalten hatte. Er habe in Hongkong einige Tage im Krankenhaus gelegen, "doch jetzt bin ich hier und damit wollen wir die Sache jetzt auch vergessen". Der Hai sei zwar nicht groß gewesen, "aber beißen wie ein Hund kann er trotzdem". Damit den Konzertbesuchern eine solche Begegnung erspart bleibt, hatte der Maestro einen Tipp: Hongkong biete schöne Bademöglichkeiten, doch sollte man die Felsen meiden, weil sich dort die Haie aufhielten.

Das Fazit: Rund 800 Klassikbegeisterte erlebten in entspannter Atmosphäre und gediegenem Ambiente ein zauberhaftes Freiluftkonzert und spendeten gerne und großzügig Applaus – zuweilen auch zwischen den sinfonischen Sätzen.

 

Aus: Badische Zeitung